Allgemeine Hochschulreife

Forderungen an den Sächsischen Staatsminister für Kultus

  1. Der sächsische Staatsminister soll sich in der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) dafür einsetzen, dass das an der HU Berlin ansässige Institut für die Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beauftragt wird, die Bildungstrends für alle Fächergruppen auch in der Sekundarstufe 2 durchzuführen. Insbesondere soll, soweit möglich, die Studierfähigkeit der Abiturienten evaluiert werden.
  2. Der Staatsminister wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Einheitlichen Prüfungsanforderungen (EPA) und Bildungsstandards der KMK hinsichtlich des Ziels der Studierfähigkeit in Kooperation mit Vertretern der Hochschullehre konkretisiert und erweitert werden.
  3. Das sächsische Staatsministerium für Kultus wird aufgefordert, Vertreter der Hochschullehre fest in den Prozess der Lehrplanentwicklung zu integrieren. Sämtliche Abiturlehrpläne sind langfristig diesbezüglich zu überarbeiten.
  4. Lehrplanentwicklung und Evaluation darf sich nicht nur auf das schulische Bildungswesen fokussieren, sondern muss das Ziel der Hochschulreife in den Mittelpunkt stellen.
  5. Der Leistungsgedanke muss wieder zentrales Element der gymnasialen Oberstufe werden.

Problematik

Das Abitur muss die Grundlage für ein erfolgreiches Studium legen. In den vergangenen zehn Jahren war eine deutliche Verbesserung der durchschnittlichen Abiturnoten zu verzeichnen. Allerdings ist zu bezweifeln, ob sich diese Verbesserung allein auf leistungsfähigere Abiturienten zurückführen lässt. Umstände wie der Einsatz eines programmierbaren Taschenrechners in Abiturprüfungen, die Umstellung von G8 auf G9 oder Kürzungen der Lehrpläne lassen vermuten, dass die Notensteigerung zumindest teilweise auch auf strukturelle Veränderungen des Abiturs zurückzuführen ist. Demgegenüber hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Universitäten ihr Angebot an Vorbereitungskursen und Propädeutika erheblich ausgebaut. Dabei erstreckt sich der inhaltliche Umfang dieser Kurse häufig über mehrere Schuljahre und beginnt meist mit dem allernötigsten Grundwissen, geht danach aber deutlich über den behandelten Schulstoff hinaus. Speziell die mathematischen Fähigkeiten vieler Abiturienten sind trotz häufig guter Abschlussnoten mangelhaft und für ein Studium der Naturwissenschaften unzureichend. In diesem Zusammenhang beklagen viele Dozenten, dass zur Schließung eklatanter Wissenslücken ein Großteil des ersten Semesters aufgewendet werden muss. Das Abitur wird dementsprechend seinem Anspruch, Schüler ausreichend auf ein Studium vorzubereiten, nicht gerecht. Außerdem kann eine Abbrecherquote von teilweise über 50% nicht zufriedenstellend sein.

Mit deutlichen Worten äußerte sich der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter-Andre Alt: „Es gibt gravierende Mängel, was die Studierfähigkeit zahlreicher Abiturienten angeht. Wir leben in der Fiktion, dass mit dem Abitur die Voraussetzungen für das Studium erfüllt sind. Die Realität zeigt: Viel zu oft stimmt das nicht.“. Dementsprechend sieht sich der RCDS gezwungen, sich im Rahmen dieses Antrags für eine deutliche Anhebung des Leistungsniveaus in der Qualifikationsphase des Abiturs sowie einen konsequenten Evaluationsprozess einzusetzen.

Begründung

Zu 1.: Um valide Aussagen über die Studierfähigkeit der Abiturienten treffen zu können, ist eine regelmäßige Evaluation durch wissenschaftliche Institutionen nötig. Es bietet sich an, diese Überprüfung durch das IQB ausführen zu lassen, da ein ähnlicher Auftrag bereits in der Sekundarstufe 1 und im Primarbereich existiert. Damit erhalten die Kultusministerien der Länder eine konkrete Einschätzung der Leistungen ihrer Abiturienten, die über die nur bedingt vergleichbaren Abiturnoten hinausgehen. Dementsprechend können Maßnahmen zur Verbesserung der Studierfähigkeit evaluiert werden. Gleichfalls erzeugt der direkte Ländervergleich Konkurrenz in den Bemühungen die Leistungsqualität der Abiturienten zu steigern.

Zu 2.: Die Studierfähigkeit der Abiturienten spielt in den einheitlichen Prüfungsanforderungen und den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz zurzeit eine untergeordnete Rolle. In Hinblick auf die Sekundarstufe 2 sollte diese nach Ansicht des RCDS allerdings im Mittelpunkt der allgemeinen Hochschulreife stehen. Deshalb sollten Vertreter der Hochschullehre in einen Überarbeitungsprozess dieser Standards einbezogen werden, der den fachspezifischen Kanon und die notwendigen Kompetenzen konkretisiert.

Zu 3.: Die bisherige Praxis der Lehrplanentwicklung ist unzureichend, um die Qualität der allgemeinen Hochschulreife zu garantieren. Derzeit werden hauptsächlich Lehrer und in seltenen Fällen auch Fachdidaktiker der Universitäten mit der Entwicklung der Lehrpläne beauftragt. Dieser Umstand hat begünstigt, dass sich die Ansprüche der Oberstufenlehrpläne von den akademischen Mindestanforderungen an Erstsemesterstudenten weit entfernt haben. Durch die Einbindung von Professoren und Dozenten soll diese Lücke wieder geschlossen werden. Dazu müssen sämtliche Lehrpläne langfristig überarbeitet werden.

Zu 4.: Das Ziel der allgemeinen Hochschulreife ist die Befähigung zu einem Hochschulstudium. Dementsprechend sollte diese Befähigung zentrales Element der gymnasialen Oberstufe sein. Gleiches gilt konsequenterweise auch für Evaluation und Lehrplanentwicklung im Bildungswesen.

Zu 5.: Spätestens mit Beginn des Studiums wird kaum noch Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten genommen. Stattdessen muss der Alltag im Gegensatz zur gymnasialen Oberstufe in Eigenverantwortung organisiert werden. Zusätzlich entscheiden ausschließlich die fachspezifischen Leistungen der Studenten über das Bestehen von Modulen. Sozialkompetenz, Fleiß oder Bemühen sind in diesem Prozess nicht mehr von Bedeutung. Stattdessen herrscht ein akademischer Leistungsdruck zur Sicherstellung der Forschungsqualität unserer Hochschulabsolventen. Demgegenüber ist in der Qualifikationsphase des Abiturs zu beobachten, dass fachspezifische Leistungen zunehmend an Relevanz verlieren. Dadurch treffen Abiturienten völlig unvorbereitet auf den akademischen Leistungsdruck und müssen teilweise ihr Studium erfolglos beenden. Deshalb sollte nach Auffassung des RCDS der Leistungsgedanke in den Mittelpunkt der gymnasialen Oberstufe rücken, um die zukünftigen Studenten besser auf ihr Studium vorzubereiten.