VA Nowak

Mitgliederabend mit Andreas Nowak MdL

Landesweite Veranstaltung vom 28. April

„Ist das noch notwendig und gerechtfertigt oder kann das weg?“ – So lautete die etwas provokante Einstiegsfrage in den landesweiten Mitgliederabend des RCDS Sachsen am Mittwoch, dem 28. April 2021. Hierbei ging es jedoch keineswegs um die Frage nach der Gendersprache.

Zur digitalen Konferenz war als Referent Andreas Nowak MdL eingeladen, der seit 2014 für die CDU im Sächsischen Landtag sitzt und dort Medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion ist. Neben Journalismus bzw. Medienpolitik ist er auch für Verkehrspolitik zuständig. Zum Mitgliederabend beschränkten wir uns jedoch auf das Thema „Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk und Rundfunkbeitrag“ und wollten mit Herrn Nowak ins Gespräch kommen, wie der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk funktioniert, welche Stellschrauben es gibt und ob der finanzielle Beitrag bzw. Umfang gerechtfertigt sei, wenn man ihn in Relation zum Auftrag des ÖRR setzt.

Unser Landesvorsitzender Peter Flaske eröffnete den Abend und bat Andreas Nowak, seine Sicht auf die Dinge zu vermitteln. Nowak, der selbst als Journalist gearbeitet hatte und mit 15 Jahren seinen ersten Radiobeitrag sendete, war unter anderem beim Sachsenradio beschäftigt (heute MDR 1 Radio Sachsen), wo er bis zum Abitur an Beiträgen und Sendungen mitwirkte. Außerdem absolvierte er ein Volontariat bei Radio Energy Sachsen und begann die journalistische Arbeit sozusagen von der Basis aus. Später arbeitete Nowak selbstständig als Kommunikationsberater und Journalist. Gerade durch seine Erfahrungen geprägt kam ihm die Antwort auf die Eingangsfrage schnell über die Lippen: „Ich bin großgeworden im ÖRR und er soll natürlich nicht abgeschafft werden.“ Dennoch sieht auch Nowak erheblichen Verbesserungsbedarf und meint, dass über die Jahre und Jahrzehnte einige Dinge eingeschlafen seien. Der ÖRR genüge den Ansprüchen der Bürger an vielen Stellen nicht mehr –das auch unabhängig von der gegenwärtig häufig kritisierten Beitragshöhe. Der ÖRR brauche immer eine spezielle Rechtfertigung und müsse sich am Gemeinwohl orientieren. Dies müsse sich dann zum einen in den Gehältern, zum anderen auch in den Programmen widerspiegeln. Dabei komme dem ÖRR insbesondere die Aufgabe zu, Programmlücken zu finden und diese zu füllen, wenn das Angebot dafür noch nicht besteht.

Ist eine Reform des Programms bzw. Angebots im ÖRR notwendig?

Damit wirft sich die Frage auf, ob nicht Nachrichten, Bildungsprogramme und Dokumentationen ausreichend seien –sodass die Unterhaltungssparte von anderen Anbietern und Privatsendern bedient werden sollte. Oder sollte es lieber weniger Hauptnachrichten zugunsten anspruchsvoller Dokumentationen geben?! Nowak machte sehr schnell deutlich, wie vielschichtig die Programmfrage des ÖRR ist und zieht dabei unter anderem Vergleiche zum Ausland: In Österreich sei man an einigen Stellen weiter, dort kämen Dokumentationen, Bildungs-und Kulturprogramme auch in Hauptsendungen vor – Prominente mit bestimmten Formaten seien jedoch eher in den Mediatheken zu finden. Ebenso stellt das Thema Werbung einen Umstand dar, der nur schwer greifbar ist. Durch die Werbeblöcke, die zunehmend um die Programme herum existierten, werde versucht, das Gesamtprogramm massenkompatibel zu machen, wobei es zu einer immer stärkeren Verzerrung des Wettbewerbs kommt, da sich der ÖRR damit abhängiger von Einschaltquoten zur Finanzierung macht.

Darüber hinaus stellt sich für Nowak die Frage, ob ein dreistelliger Millionenbetrag jährlich für Sportrechte nötig sei und der ÖRR hier unbegrenzt mitbieten müsse bzw. sollte. Er würde dabei eher auf die Übertragung von Lokal- und Regionalereignissen setzen bzw. versuchen, gezielt andere Sportarten zu zeigen, was gleichzeitig im Sinne der Abdeckung von Nischen sei.

Das historische Wachsen der Öffentlich-Rechtlichen zeigt sich bis heute

Zusätzlich müsse man die kulturelle Ausrichtung im Sinne der Historie betrachten und nun an die aktuellen Gegebenheiten anpassen. Nowak liefert dabei geschichtliche Details, die unter anderem zeigen, dass zur Gründungszeit des ÖRR z. B. durchaus ein Bedarf an Kapazitäten und Raum zur Produktion von Filmmusikbestanden hätte, wodurch sich große Klangkörper des ÖRR (Orchester, Chöre, Ensembles) bildeten – heute jedoch gäbe es hierfür einen Markt und der ÖRR sei dafür seines Erachtens nicht mehr vordergründig zuständig. Außerdem gäbe es einen grundsätzlich sehr verzweigten Rundfunk in Deutschland, was auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass man nach den Schrecken des Nationalsozialismus mit der medialen Gleichschaltung und einer Etablierung eines „großdeutschen Rundfunks“ versucht hatte, die Bereiche aufzuteilen und den ÖRR-Bereich an vielen Stellen in unterschiedliche Lokal-und Themenbereiche zu ordnen, was sich vor allem in der Anregungssuche aus dem Ausland zeigte. Die Tagesschau beispielsweise entstand in dieser Zeit in Anlehnung an die BBC. Weiterhin war der Rundfunk in der DDR auch eine staatliche Angelegenheit, was sich erst mit der Gründung erster Privatsender in den 80er Jahren allmählich änderte. Schlussendlich wurden durch die Umbrüche des 20. Jahrhunderts und zuletzt durch die Wiedervereinigung das Angebot verbreitert und Regionalangebote geschaffen (es gab bis 1956 noch einen „Nordwestdeutschen Rundfunk“, der sich aufspaltete in den NDR und WDR).

Auf DDR-Gebiet hingegen entstanden durch Antennengemeinschaften spätere Lokalsender (nach 1990), die kleine Radio-und Fernsehstationen darstellen – 50% der Lokalfunker befinden sich bis heute im ostdeutschen Gebiet, 50% davon wiederum in Sachsen, wobei hier eine große Vielfalt gegeben ist. Inzwischen gab es zwar einige Änderungen in Radio und Fernsehen, was jedoch lange Zeit bestand, war, dass beides eine sehr teure Angelegenheit darstellte, wodurch sich die staatliche Prägung ebenfalls erklären lässt. Das ist bis heute in Regulierungsfragen relevant, die durchzahlreiche Gesetze (Mediengesetz, Pressegesetz) beantwortet werden.

Irgendwann werden Antenne und Satellit nicht mehr nötig sein

Die Fragen gehen jedoch noch weit über die Programmausgestaltung hinaus, denn die Veränderungen im Bereich des Rundfunks nehmen rasant Fahrt auf. Damit steigt nicht nur der Druck auf den ÖRR, vielmehr gilt es, die nachfolgenden Entwicklungen abzuschätzen und parallel mit zu bedenken. So sieht Nowak in der Zukunft für den ÖRR noch zwei große lineare Angebote: Sport (Aktualität und Regionales) sowie Nachrichten –alles andere wird über kurz oder lang vermutlich in den Plattformbetrieb übergehen. Das wiederum zieht dann Innovationen und technische Neuerungen wie den 5G-Ausbau nach sich. Irgendwann werden Antenne und Satellit vielleicht gar nicht mehr nötig sein.

Die Frage nach dem Geld...

In der Diskussion und durch Nachfragen an Andreas Nowak ergeben sich zahlreiche Punkte, die mit der Finanzierung des ÖRR zu tun haben. Nowak stellt hierbei klar, dass es nicht darum gehen könne, die Beiträge für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu senken oder den Beitrag insgesamt einfach zu senken. Vielmehr muss es eine innere Reform des ÖRR geben und der Beitrag müsse zuallererst versucht werden, stabil zu halten, was u. a. erklärtes Ziel der CDU-Landtagsfraktion ist.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob die ÖRR-Anstalten den Ernst der Lage erkannt hätten und ihnen bewusst wäre, welchen Finanzumfang sie den Zahler kosten würden bzw. ob es ernsthafte Sparanstrengungen geben würde, antwortete Nowak, dass vielleicht nicht alle das erkannt hätten, es vielen Intendanten jedoch bewusst sei und sie die Probleme versuchten anzugehen. Außerdem bestünden erhebliche Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Anstalten, wobei der MDR beispielsweise noch nie Luxuspensionen gezahlt hatte und in der breiten redaktionellen Arbeit bereits in den 90er Jahren die Geldbremse gezogen wurde. ARD, ZDF und HR ständen dagegen unter Druck, was sich an sehr stark schwankenden Produktionskosten für Formate wie den „Tatort“ zeigt. Um solche Dinge zu beheben, gibt es unter anderem Organe wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die neben der Ermittlung und Bewertung des Finanzbedarfs auch Vorschläge zum Sparen unterbreitet.
Einig sind sich die Teilnehmer des Mitgliederabends auch, dass die Forderung eines unabhängigen und staatsfernen Auftragsmonitorings gute Effekte erzielen kann und wenn schon nicht die Verschlankung der Finanzen, dann doch eine Bedarfsanpassung des Programms bieten würde. Staatsfern würde hier bedeuten, dass externe Experten, die keine Politiker, Regierungsangehörige, Parteifunktionäre oder Abgeordnete sind, bewerten, inwieweit der Auftrag des ÖRR erfüllt ist.

Der ÖRR ist nicht zur Erziehung da!

Vor allem die Problematik, dass viele Formate im ÖRR den Anschein erwecken, man solle zu bestimmten Denkweisen erzogen werden, wird von einigen Teilnehmern aus der Runde angesprochen. Nowak erklärt hierzu, dass dies ebenfalls einigen Programmdirektoren bewusst ist und dass gerade deswegen die Versuche zur Neutralität in der Berichterstattung zumindest intensiviert werden müssten. Es gäbe an manchen Stellen und in manchen Formaten intensive Probleme, die sich nicht in zwei oder drei Jahren lösen lassen, die aber mit einem System aus „Checks and Balances“ austariert werden könnten. Darum möchte die CDU auch am bewährten System festhalten, Intendanten nicht nur durch den Rundfunkrat wählen zu lassen, sondern das System des Verwaltungsratsvorschlags beizubehalten. Darüber hinaus könnte man ein inhaltliches Kontrollgremium ähnlich der KEF (die für Finanzfragen zuständig ist) etablieren. Auch ein Qualitätsjahrbuch, dass jährlich Stellung bezieht zu Fragen der Qualität, Akzeptanz und Neutralität könnte helfen, die Kontrolle der Auftragserfüllung zu gewährleisten.

Motivation zum Engagement

Am Schluss führt Andreas Nowak an, dass das Thema „ÖRR“ nun breit diskutiert wird und überall angekommen ist. Das birgt Chancen für die Beteiligung aller am Prozess des Wandels. Insbesondere die Nutzung und Unterstützung des ÖRR legt Nowak hierbei allen Anwesenden ans Herz. Dafür gäbe es vielfältige Möglichkeiten: Durch den Konsum regionaler Angebote, die beispielsweise der MDR bereitstellt, unterstützt man die lokalen Produktionen und schafft dadurch eine Existenzgrundlage bzw. Bestehens-Notwendigkeit z. B. gegenüber Netflix und Amazon, die überwiegend nicht in Deutschland produzieren. Der MDR und der ÖRR allgemein sind also erhebliche Faktoren für deutsche Produktionen und Produzenten.
Durch das Engagement ostdeutscher Journalisten und kreativer Köpfe aus RCDS und JU kann es zudem gelingen, mehr Menschen aus dem Osten in Führungspositionen des ÖRR zu befördern, was wiederum Netzwerke schaffen kann und das Programm zusätzlich breiter aufstellen würde. Insbesondere durch die Aktivität von jungen Menschen kann der ÖRR eine Qualität bieten, die an anderen Stellen nicht zu holen ist und dort austarierend wirken, wo der Markt versagt. Dafür wirbt Andreas Nowak und dazu möchte er alle jungen Leute motivieren, die sich für den medialen Bereich interessieren. Denn je breiter die Mitarbeiter des ÖRR aufgestellt sind, umso breiter kann auch das Themenfeld gefasst werden und umso mehr kommt der ÖRR seinem Auftrag nach, sich am Gemeinwohl zu orientieren. Wir danken Andreas Nowak herzlich für seine Zeit und die interessanten Ausführungen.